Verbundenheit – ein Anker in unsicheren Zeiten

Verbundenheit – ein Anker in unsicheren Zeiten 

Wir leben in einer stark vernetzten Welt. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen fehlt es an vielen Orten an (wirklicher) Verbundenheit. Menschen sind zwar verbunden oder eher digital vernetzt, aber sind sie wirklich mit anderen in Verbindung? 

Wie komme ich auf dieses Thema? 

Ein Teil der Antwort steht bereits in der Einleitung. Viele Menschen fühlen sich einsam. Diese Menschen sind nicht allein. Sie sind nicht unsichtbar oder unscheinbar. Sie sind unter uns. Du arbeitest mit ihnen, siehst dir ihre Instagramstorys an oder schreibst ihnen auf WhatsApp. Früher gab es Kirche, Religion, Vereine, kleinere Dörfer, Stammtische. Vieles davon ist weniger geworden oder verschwunden. Auch in der Arbeitswelt treffen wir uns immer weniger. Homeoffice, mobiles Arbeiten, flexible Teams, Teilzeit. Orte, an denen sich Menschen begegnen, werden weniger. Das zumindest mein Eindruck. 

Nun sind wir nicht nur mit anderen immer weniger wirklich verbunden, sondern auch mit uns selbst. Die Möglichkeiten an Ablenkungen sind unermesslich und viel Digitales ist genau so programmiert, damit wir uns dort verlieren. Und es ist ja nicht so, dass wir mit Familie, Freizeitbeschäftigung, Karrieregestaltung etc. nicht schon genug zu tun hätten. 

Verbundenheit ist (vielleicht) ein Teil der Lösung für viele unserer Probleme und Hindernisse. Dieser Denkansatz begegnet mir in letzter Zeit auch immer wieder in Büchern über Gesundheit, Sinn und Führung. Deshalb betrachte ich hier ein paar Ansätze und Möglichkeiten. 

Verbundenheit – eine Definition

Zuerst schauen wir doch, was der Duden unter «Verbundenheit» versteht. 

Im Duden steht: 

[Gefühl der] Zusammengehörigkeit mit jemandem, miteinander

Beispiele: 

  • eine enge, geistige Verbundenheit mit jemandem haben
  • (als Grußformel am Briefschluss) in alter Verbundenheit

Quelle: https://www.duden.de/rechtschreibung/Verbundenheit

Vielleicht wird bereits hier etwas klarer, dass es einen Unterschied zwischen Verbundenheit und Vernetzung gibt. Verbundenheit wird als ein «Miteinander» beschrieben, als eine enge, geistige Verbindung.  

Warum ist Verbundenheit wichtig?

Verbundenheit hat eine Auswirkung auf unsere Gesundheit, auf unsere Art der Zusammenarbeit, auf unseren Arbeitsalltag, auf die Natur und so vieles mehr. 

«Wenn Sie wollen, dass andere glücklich sind, praktizieren Sie Mitgefühl. 
Wenn Sie selbst glücklich sein wollen, praktizieren Sie Mitgefühl.»

Tenzin Gyatso, XIV, Dalai Lama, Zitat aus dem Buch Mindful Leadership (Lesser M. (2020), S. 141

Gesundheit

Verbundenheit oder abgetrennt zu sein, sich einsam zu fühlen, hat einen Einfluss auf unsere Gesundheit. Fühlen wir uns aufgehoben und wahrgenommen, wird es uns besser gehen, als wenn wir uns nicht zugehörig und abgetrennt von anderen fühlen. In einem Interview vom 10.12.2020 sagte der Geschäftsführer von Pro Mente Sana, Roger Staub: «Einsam zu sein ist so schlecht für die Gesundheit wie Alkohol, Rauchen und Übergewicht kombiniert.». Diese Einsamkeit kann uns alle betreffen. Auch Prof. Dr. Tobias Esch sagte in einem Interview «Unverbundenheit wirkt auf die Gesundheit so schädlich wie Rauchen.». Die Liste von negativen Auswirkungen könnte noch mit vielen weiteren Auswirkungen ergänzt werden.

Durch die Verbindung zu anderen Menschen, durch die echte Verbundenheit können wir also etwas für unsere Gesundheit tun. Nicht nur für unsere, sondern auch für die der anderen. 

Es geht also darum, unsere Beziehungen aktiv zu gestalten. Das beginnt oft bei uns selbst, mit der Beziehung zu uns. Bei der Verbundenheit geht es jedoch nicht nur um die direkte Beziehung, sondern auch darum, sich zugehörig zu fühlen, in eine Gemeinschaft eingebettet zu sein. 

Diese (und weitere) positiven Auswirkungen kann das Gefühl der Verbundenheit haben:

  • Verbesserte Reaktion auf Stress sowie minimierte negative Auswirkungen von Stress auf die Gesundheit.
  • Effektivere Behandlung von Bluthochdruck und Diabetes.
  • Wer ein ausgeprägtes Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft hat, gibt mit 2.6-facher Wahrscheinlichkeit an, einen guten oder ausgezeichneten Gesundheitszustand zu haben als Menschen, die sich nicht zugehörig fühlen.

Quelle: Wofür stehen Sie morgens auf? Warum Sinn und Bedeutung entscheidend für unsere Gesundheit sind (2023), Esch T., S. 164 (Auf dieser Seite findet sich auch die Liste mit negativen Auswirkungen von fehlendem Zugehörigkeitsgefühl)

(Zusammen-) Arbeit

Konflikte am Arbeitsplatz, fehlende oder schlechte Kommunikation oder mangelndes (gegenseitiges) Vertrauen führen zu Kündigungen, zu Krankheiten und Absenzen am Arbeitsplatz. Wir fühlen uns nicht zugehörig, nicht verbunden und vielleicht stehen wir sogar in Konkurrenz zueinander. Wir wissen alle selbst, dass das schädlich ist oder können es uns zumindest vorstellen. 

Aber auch wenn die oben erwähnten Schwierigkeiten nicht auftreten, kann das Verbundenheitsgefühl und die erlebte Verbundenheit fehlen. Mit dem Homeoffice fallen zufällige Begegnungen (z. B. in der Kaffeepause) weg und durch Teilzeitarbeit begegnen sich einzelne Teammitglieder kaum oder gar nicht. Das und vieles mehr kann zu fehlender (gefühlter) Verbundenheit führen. 

In der Welt, in der wir leben, ist es für Unternehmen wesentlich, Möglichkeiten für Gemeinschaft und Verbundenheit zu schaffen, zu stärken und zu fördern. Es wird ein Element sein, das erfolgreiche Unternehmen und Teams in Zeiten des Wandels auszeichnet. 

 Das bestätigt sich auch in diesen Textausschnitten: 

«Führen heisst, Gemeinschaft und Verbundenheit stärken.»

Mindful Leadership (2020), Lesser M., S. 143

Im fünften Prinzip von Mindful Leadership Was ich bei Google und in der Küche eines Zen-Klosters lernte, die 7 Prinzipien achtsamer Führung schreibt Marc Lesser:

«Das fünfte Prinzip in diesem Buch könnte sehr wohl die wichtigste Kompetenz überhaupt sein […]. Schon oft habe ich den Wandel erlebt, der binnen kurzer Zeit stattfinden kann, wenn Menschen sich tief wahrnehmen und sich ihrer gemeinsamen Menschlichkeit öffnen […].»

«Wer sich seine Zukunftsfähigkeit bewahren will, wird um starke und sich tief verbundene Teams nicht herumkommen.»

Das neue Führen (2023), Janssen B., S. 171 

Zugehörigkeit hat übrigens auch einen Einfluss auf das Sinnerleben von Menschen. So ist bei T. Schnell zu lesen «Sinnerfüllung ist die grundlegende Erfahrung von Sinnhaftigkeit. Sie basiert auf einer (meist unbewussten) Bewertung des eigenen Lebens als kohärent, bedeutsam, orientiert und zugehörig (Schnell, 2009).» Sie schreibt, dass es bei der Zugehörigkeit um Familie, Religion, Kollegen, ähnlich denkende Menschen etc. gehen kann. Es gehe dabei um das Gefühl, gebraucht zu werden und Verantwortung zu haben. Dieses wiederum wirke der Isolation, Entfremdung und der Sinnlosigkeit entgegen. Vergl. Schnell T. (2016), Psychologie des Lebenssinns, S. 8

Wir und die Natur - eine Ergänzung

Was hier nur so halb passt, oft vergessen wird und doch (eigentlich) wirklich wichtig wäre, ist, dass wir Menschen ein Teil der Natur sind. Die Natur hat ihren Rhythmus und vieles ist miteinander verbunden oder «alles ist mit allem verbunden». Wir sind also ein Teil dieser Natur und können uns auch wieder mit ihr verbinden. Vielleicht finden wir sogar dort Zugehörigkeit, Verbundenheit und einen Sinn. Eine schöne und informative Doku dazu, wie in der Natur alles miteinander verbunden ist, hat Robert Marc Lehmann gemacht. Die Dokureihe «Mission Kanada» zum Thema «Everything is connected» findest du auf seinem Youtube-Kanal.

Schlussgedanken (für den Moment)

Die Möglichkeiten, sich mit anderen oder etwas zu verbinden, finden sich in allen Bereichen des Lebens. Die Arbeitswelt ist eine davon. Für Unternehmen und Teams erachte ich jedoch Vertrauen und Verbundenheit als wesentliche Faktoren, um in dieser Welt langfristig erfolgreich zu bleiben. Verbundenheit sowie echte Begegnungen zu fördern ist ein Weg hin zu menschenorientierten und wirtschaftlich nachhaltigen Unternehmen, die auch den Stürmen der Zukunft trotzen werden.